7:25.

Heute besiege ich Jetlag und Schweinehund zugleich! *heroische Musik*

Ich habe durchgemacht, gehe gleich zum Sport und werde mich anschließend durch diesen Tag quälen, bis ich – so, wie es die Menschen in der realen Welt tun – um zehn, elf am Abend schlafen gehen kann.

Heute wird der Plan gelingen. So wahr ich Kurfürst Engelbert heiße.

Den Preis einer schlaflosen Nacht bezahle ich, ohne lange zu feilschen.

Fakt zum Tag: 1705 wird das musikalische Trauerspiel Lucretia von Reinhard Keiser am Theater am Gänsemarkt in Hamburg uraufgeführt.

Aber genug von meinen Erste-Welt-Problemen. Sprechen wir ein wenig über dich.

Wie sieht das Steak heute aus? Medium? Rar gekocht? Oder gut durch?

Ist die Linse scharf oder halb verschwommen?

Fährst du Ford Scorpio oder Citroen ZX?

Gott, mir fallen die Augen zu… Dabei ist es erst 7:35. Oh, Mann. Das wird hart heute. Bitte um Läuterung!

Und dennoch: Die Lichteffekte um diese Uhrzeit sind unaussprechlich schön. Das Land ist in flüssiges Gold getaucht und Döbling, mein heißgeliebtes Döbling, ähnelt mehr denn je einer Kulisse aus dem Zauberland. In Grinzing werden die Fässer gezapft, in Sievering stimmen die Zwergenfürsten ihr Lied an, in Neustift am Walde gönnt sich der Landbüttel seinen ersten Humpen.

Wusstest du, dass ich mit 17 mal begonnen hab, ein Theaterstück zu schreiben, das niemals fertiggestellt wurde? Es ging darin um drei mittellose Alkoholiker zu Zeiten der k.u.k. Monarchie: Nepomuk, ein Wiener und ehemaliger Reeder der Donaudampfschifffahrtsgesellschaft, Baltimore, ein Schlosserbe aus Birmingham, der sein gesamtes Hab und Gut verspielt hatte, und Kasimir, ein polnischer Ulane, der im Krieg gegen die Russen desertiert war.

Ich denke, das Stück hätte Potential gehabt. Doch dieser Zug ist abgefahren und ich zu alt.

7:48. Die Sonne dringt durch Jalousien und bleischwere Augenlider. Ich muss mich jetzt kurz hinlegen. Nur ganz kurz.

Wollen wir heute in einen Heurigen gehen? Hast du Lust?

Gegen ein Achterl Grüner Veltliner hätte ich nur unter großem Widerstand etwas einzuwenden. Dabei würden wir Oscar und Bonifazius lauschen, den beiden Rumänen, die Wienerlied spielen.

Hach, das wäre doch nett.

Du narrischer Kastanienbaum… Ja, der Kastanienbaum ist närrisch. Und das ist sein gutes Recht!

Ähm, Sir… Sie reden wirr.

Grinzing. Unendliche Weiten.

7:58.

Das Sonnenlicht hat eine geradezu hypnotische Wirkung auf mich. Der heutige Tag wird paradiesisch, spürst du es? Gspiast es?

So, es ist beschlossen. Wir machen heute eine Tour durch die Heurigen, du und ich. Ich bezahle.

Ähm, Sir… Ihre Kreditkarte steht kurz vor der Implosion…

Genug, Johann!

Komm mit mir ins Abenteuerland!

 

Wow. Dienstags um Sieben fallen einem die ärgsten Dinge ein. Das Lied hab ich zuletzt vor zwanzig Jahren gehört!

Unglaublich.

In diesem Sinne, ein Vers aus einem meiner Lieder:

 

Der Schlaf gilt den Schwachen, das Wachsein gilt mir,

Ich such‘ nach der Beute mit Speer, Pfeil und Gier.

 

Wir sehen uns heute bei einem Achterl Weiß in Grinzing! Sei dort.

Ich bezahle.

 

(Jannis Raptis, „Ansichten eines Troubadours“ Blog 2016, www.jannisraptis.com)

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