Guten Morgen, schöne Woche und ertragreichen Monat, liebe Gemeinde! Der Frühling ist da, die Vöglein zwitschern und die Grillen zirpen. Und während ich nun meine Schreibfeder in den breiigen Restinhalt des schräg geneigten Tintenfasses stoße, um meine Gedanken zu Papier zu bringen, muss ich mir eingestehen: Ich wäre lieber draußen im Park, um mich mit dem Ballspielen zu vergnügen.

Doch ich bin nicht hier, um mich zu vergnügen. Dies zu erkennen, raubt den goldenen Gitterstäben meines Döblinger Gefängnisses durchaus etwas von ihrer Härte.

Es ist schon okay so.

Wie geht es dir? Wie stehen deine Aktien? Bist du nach dem letzten Blogpost eh nicht in Ufologie abgedriftet? *lacht*

Ich für mein Teil habe diese Woche unfassbar viel aufgeräumt. Denn, falls du es nicht selber schon weißt: Das Aufräumen gehört zu den wichtigsten Dingen im Leben. Wieder kommen wir zu einem Punkt, den ich immer wieder mal gerne anspreche, beziehungsweise ausführe: Achtsamkeit.

Ich weiß nicht, ob du mir folgen kannst, aber ich habe die Theorie, dass alles plötzlich viel weniger trostlos wirkt, sobald man sich intensiv damit beschäftigt hat, sobald man dem Gegenstand die nötige Aufmerksamkeit geschenkt hat, die er verdient.

Das gilt sowohl für die Welt da draußen als auch für diese in deinem Inneren. Im Prinzip ist „achtsam Leben“ eine dauerhafte Einstellung. In meinem Leben ging die innere Ordnung stets Hand in Hand mit einem aufgeräumten Arbeitsplatz.

Mit diesem Gedanken habe ich vergangene Woche also meinen Schlaf- und Arbeitsplatz in Wien ausgemistet und entstaubt, denn, wenngleich ich nicht vorhabe, allzu lange in Österreich zu verweilen, bin ich jetzt gerade nun mal hier. Und aus einer Trotzphase heraus, auf seine unmittelbare Realität zu scheißen, halte ich für ein wenig kindisch.

Probier’s mal aus! Ein aufgeräumter Schreibtisch wirkt auf den Schaffenden schon ganz anders als eine staubige Tischplatte, die sich qualvoll unter der Last der Papierberge krümmt. Ein entstaubtes Bücherregal, in dem vereinzelte Buddha-Statuen hervorlugen, hat mehr meditativen Charakter als man sich vorstellen mag. Ein aufgeräumtes Sofa trägt auch so schon reichlich Erinnerungen an die Vergangenheit mit sich.

Und Letztere ist ja eine der größten Gefahren für den Entwicklung Anstrebenden, wie wir schon oft zuvor in diesem Blog behandelt haben.

Manchmal habe ich Tage, da würde ich am liebsten alles verbrennen und vernichten, was mich an die Vergangenheit erinnert. Möbel, Kleidung und Gemälde, alles in die reinigenden Flammen werfen! Ich denke, diese Tendenz geht Hand in Hand mit meiner wahnhaften Sucht, dieses Land zu verlassen. Aber gut, das ist eine andere Geschichte.

Kehren wir zur Achtsamkeit zurück.

Mark Aurel behauptet, dass das Glück unseres Lebens von der Beschaffenheit unserer Gedanken abhängt. Dem stimme ich zu.

Ich mein: Vielleicht kennst du diese Tage, in denen du so bewusst bist, so empfänglich für die nichtlinearen Konstrukte des Kosmos, dass sich plötzlich deine gesamte Wahrnehmung verändert. Ich spreche hier von einem meditativen Geist. Einem Geist, der jedoch nicht absichtlich meditativ, kontemplativ, diszipliniert oder gar irgendetwas sein möchte! Weit gefehlt, oh, mein teurer Archimedes! Ich spreche von einem Geist, der einfach ist. Oder noch schöner: Der das Sein zulässt.

Zugegeben, das Wort „Gedanken“ in Mark Aurels Zitat ist ein wenig heikel, aber zumindest für mich, habe ich erkannt, was er damit sagen wollte. Schlussendlich sind ja alles Zitate aus der Zeit durchaus dehnbar. *lacht*

Ich behaupte also, dass du deine Wahrnehmung bewusst steuern kannst. Natürlich kannst du dir jeden Tag einreden: Ich bin ein kleiner, alternder Grieche mit Geheimratsecken, haarigen Schultern und ohne Talente. Niemand liebt mich und ich werde alleine sterben.

Klar, das ist eine Möglichkeit. Oder aber du kannst sagen: Ich bin für meine 1,71 und meine bevorstehenden 30 Jahre ein durchaus ansehnlicher Mann, dessen Gesicht von Reife und vielen Erlebnissen kündet. Nicht jeder liebt mich, aber die, die es tun, meinen es so. Ich werde nicht alleine sterben.

Das war jetzt ein banales Beispiel. Noch ein simples Beispiel:

Ich könnte jedes Mal laut aufheulen, wenn ich die Gemeindebauten in Favoriten erblicke, ich könnte jedes Mal wutentbrannt kreischen, wenn ich im Westbahnhof unterwegs bin und die wölfischen Schurken mich aus ihren furchtbaren Augen anstieren wie wildes Getier, ich könnte jedes Mal den Herrn um Vergebung bitten, wenn ich zu meiner Frau nach Linz fahre und sich am Hauptplatz Rotten von Hooligans zusammentun und die Stimmung vermiesen.

Ja, das könnte ich.

Aber ich könnte genauso gut mit einem Gefühl großer Abenteuerlust durch Mordor schleichen, den Orks und den schirchen Halbtrollen aus dem Weg gehen, um die Prinzessin in ihrem Turm zu besuchen.

Da sieht die Welt schon ganz anders aus! Und mit ein, zwei Gläschen Talisker gewinnt das Ganze auch schon deutlich an Magie.

Ich möchte darauf hinaus, dass deine Wahrnehmung, dafür sorgt, ob du gut oder schlecht drauf bist. Darüber haben wir in den Ansichten eines Troubadours schon mehrmals geplaudert. Und nun kehren wir zur Achtsamkeit zurück. Wenn es dir schon mit so konkreten Übungen deine Wahrnehmung zu „hintergehen“ gelingt, wie groß ist dann erst das Resultat, wenn Achtsamkeit und Bewusstheit ins Spiel kommen!

Ich verspreche dir, lieber Leser und hübsche Leserin, dass das achtsame Beobachten und der liebevolle Umgang mit deinen Themen (und mit dir selbst) deine Wahrnehmung MASSIV beeinflussen werden.

Es gibt nichts Einfacheres und gleichzeitig nichts Mächtigeres als die Achtsamkeit. Ich wage sogar, zu behaupten, dass ein achtsames Leben bedeutet, mit dem Tao zu gehen. Aber gut, wer bin ich schon, zu behaupten, das Tao ergründet zu haben?

Das muss wohl jeder für sich herausfinden. Die Erkenntnisse aller Lebewesen vereinigen sich dann zu einer universellen Wahrheit, die die Form von Yin und Yang trägt und den Aliens, die uns gerade kontrollieren, einen entzücktes „Wow!“ entlocken wird.

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Tja.

Und um die literarische Brücke zum Thema „Aufräumen“, mit dem wir den Aufsatz eröffnet haben, zu schlagen: Aufräumen und Achtsamkeit haben sehr viel gemeinsam.

Als ich meinen alten Schmuck entstaubte und sorgfältig in kleine Kisten verpackte, die ich fortschaffte, war mir, als würde ich mein vergangenes Ich, das ich so oft verteufle, irgendwie akzeptieren. Dasselbe fühlte ich, als ich alte Unisachen in Tüten (Sackerl) packte und forttrug, als ich CDs, Bücher und Souvenirs trennte und liebevoll behandelte und vor allem, als ich sämtliche Briefe, die ich allesamt aufbewahrt hatte, alle Flyer und Pressemateriealien meines Lebens und alle Konzerttickets, die ich nie weggeworfen hatte, trennte und zusammen mit der kleinen Kiste, in der einige meiner Fotos aus Kindertagen aufbewahrt sind, an einen sicheren Ort brachte.

Alles bekam seine Ordnung. Und diese wiederum war dem Schoß eines achtsamen Geistes entsprungen, desselben Geistes, an dessen Busen sie sich nun nährte.

Gott, war das geschwollen ausgedrückt. *lacht*

Probier’s mal.

Bring Ordnung in deinen Arbeitsplatz oder dort, wo du die meiste Zeit verbringst. Geh achtsam mit dir, deinen Gegenständen und deinen Themen um. Löse dich von deiner Vergangenheit, aber verteufle sie nicht; vergrab sie respektvoll an einem Ort, den nur du alleine kennst.

Und dann, dann richte den ungetrübten Blick deines erwachten Geistes auf die Gegenwart. Betrachte die Maserung des Holzes, welches als Tischplatte dient, sieh dir genau die Oberfläche des Kaffees an, der gerade neben dir steht und verheißungsvoll duftet, spüre den uralten Sessel, auf dem du sitzt, spüre deinen Körper, deine Finger, die gerade die Schreibfeder betätigen. Verschmelze mit deiner Arbeit.

Werde eins mit dem, was in dir schlummert, führ es beinhart aus und hinterlasse dieser Welt ohne viel Gejammer deinen Abdruck.

Das war das Wort zum Montag, der zwar ein Feiertag sein mag, aber niemandem verbietet, sich der Arbeit hinzugeben.

Danke fürs Lesen, mein Freund und meine Freundin.

Die Macht sei mit dir.

 

Dein Troubadour

 

(Jannis Raptis, „Ansichten eines Troubadours“ Blog 2017, http://www.jannisraptis.com)

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