Hallo und willkommen zurück zu unserer monatlichen Zusammenkunft, liebe Leserschaft!

Nun ist der Sommer tatsächlich zu Ende. Das Grün der Bäume hat seinen Glanz verloren, die Kleider werden länger und der Duft von Meersalz verblasst langsam aber sicher zu einer halbherzigen Erinnerung.

Worüber soll in diesem Zustand nur gebloggt werden? Ein melancholischer Zwölftakter, der Geschmack von Scotch und die Rauchschwaden hunderter Zigaretten wären mehr als ausreichend und da fällt mir nur der alte Schriftsteller-Trinkspruch ein: ‚To the blank page!‘

Ja, blank ist die verdammte Seite. So blank wie die Kreditkarten nach dem Urlaub, so blank wie der moralische Bescheid in der zerschlissenen Westentasche. (Was?) 

Und nun, da der Troubadour zur Laute greifen muss, während Wind und Regen an seinem Gewand zerren, so muss auch das Publikum den Umstand akzeptieren, dass ein weiterer Winter bevorsteht. Woran sollen wir uns nun wärmen, außer an den Liedern, die wir lieben?

Wie du dem letzten Blogbeitrag vermutlich bereits entnehmen konntest, verbrachte dieser Troubadour den Großteil seines Sommers in Sri Lanka, wo ihm auf schmerzhafte Weise bewusst wurde, dass die „Flucht in den Osten“ weder Genugtuung noch Erleuchtung bringt. 

Schwer verstört und übel zugerichtet von der Verkommenheit dieses Landes und der Missgunst des Volkes, kehrte ich nach Griechenland zurück, wo der wärmende Schoß der Ägäis mich empfing und sorgsam zu heilen versuchte. Nur mäßig erholt von den sanften Küssen der Schaumgeborenen, begab ich mich im Anschluss nach Polen, um zwei Konzerte zu spielen und bin nun wieder an dem Ort, der den meisten meiner Leser am Geläufigsten ist.

Wien.

Hier, wo alles stillsteht. Hier, wo einem höflich mitgeteilt wird, doch die Bappn zu halten, wenn die Uhr 22:01 schlägt. Hier, wo die Parkscheriffs lauern und die Jazzpolizei den krummen Zeigefinger erhebt, wenn man sich auch nur den kleinsten Fauxpas erlaubt. Hier, wo es für farbige Gebäude und Gewänder ein Ausfüllformular gibt. Hier, wo ein Lächeln Geld kostet.

Und doch konnte ich mir ein Solches nicht verkneifen, als ich die saubere Luft des Neunzehnten einatmete und mit dem besten Leitungswasser auf der Welt meinen Durst stillte. Es ist ein Privileg, hier sein zu dürfen. Und das sage ich als jemand, der diese Stadt hasst. Drum: Seien wir dankbar.

Seit ich dieses seltsame Gefühl namens Dankbarkeit in mein Leben gelassen habe, lieber Leser, leide ich viel, viel weniger. Verstehst du, was ich meine? Ich denke, es ist eine Krankheit unserer Gesellschaft, mehr und mehr haben zu wollen. Und das Schlimme an der Sache ist, sobald man zumindest eines dieser Dinge hat, verliert es angesichts der Tatsache, dass es doch viel mehr gibt, fast umgehend seinen Wert. Es geht um schnelle Befriedigung, Quantität statt Qualität und um ein krankhaftes Bestreben, sich selbst zu retten.

Aber wovor versuchen wir eigentlich, uns zu retten?

Gut, ich weiß schon, wovor ich mich retten möchte. Aber was ist mit dem Rest der Welt? Ich sehe die kleinen Kinder mit Snapchat und Instagram, sehe Frühpubertierende, die Zugang zu sämtlichen Pornoseiten des Internets besitzen, sehe Erwachsene, die in jeder freien Sekunde auf ihrem Smartphone rumtipseln und sich um ihre Likes kümmern. 

Und ich frage mich: Was zur Hölle ist aus dieser Welt geworden?

Wo sind die Zeiten hin, als wir noch in einen Plattenladen gingen, stundenlang die Scheiben durchforsteten, uns dabei vom Verkäufer beraten ließen und schließlich mit Schmetterlingen im Bauch nach Hause gingen, um das Erstandene anzuhören? Als der Postkasten noch mit handgeschriebenen Briefen voll war, die voll Liebe für einen verfasst worden waren und Worte auszudrücken in der Lage waren, was heutzutage Emoticons übernehmen? Als wir uns um 20:15 vor den Fernseher stellten, um den Spielfilm zu sehen, auf den wir uns schon die ganze Woche gefreut hatten? Als die hübsche Nachbarin sich emporreckte, um die Blumen zu gießen, das Tuch sich über dem Busen wölbte und uns ein entzücktes Brodeln verursachte?

Ich vermisse diese Zeiten.

Nun gibt es nur mehr Spotify, Netflix (ich LIEBE es!), Messenger, Stories und zwanzig offene Tabs mit allen möglichen Bildern, die das menschliche Hirn völlig desensibilisiert haben.

Man sieht keine Filme mehr, sondern Serien. Man liest keine Bücher mehr, man schmökert in Selbsthilfe-Prospekten. Man datet nicht, man tindert. Man liebt nicht, man sammelt Trophäen. Man hört keine Musik mehr im Radio, man wippt zu Plastik und dämonischem Lärm in 440hz.

Ich bin ja nicht einer dieser Typen, die ständig sagen, ach wie viel besser früher doch alles war. Ganz im Gegenteil: Verglichen mit anderen Epochen, scheint mir diese fast in Ordnung zu sein. Aber sie ist dennoch ziemlich, ziemlich beschissen. In einem Satz: Es gibt keinen Zeitgeist. 

Die Herde namens Menschheit besteht aus Schläfern. Wozu erwachen und all die Schmerzen auf sich nehmen, wenn es doch das bequeme Sofa der Gewohnheit gibt? Den „Alltag“ (was ist das?), den Job, die halbherzige Beziehung und das trübe, halbleere Glas vor dem traumlosen Schlaf? Wozu ernsthaft suchen, wenn es doch Religionen und andere Abkürzungen gibt?

Wozu sich EIN KLEINES BISSCHEN anstrengen?

Ich bin müde, über dieselben und selben Themen zu sprechen und werde folglich schweigen. Falls du einen Blogbeitrag, den ich für ganz okay erachte, lesen möchtest, dann scroll zum Beitrag vom letzten Monat (Juli).

Was auch immer du für dieses Semester vorhast, ich wünsche dir, dass es dir gelingt. Atme bewusst, um dich zu erden und dich daran zu erinnern, was du bist. Kontrolliere die Stimmen in deinem Kopf und nicht umgekehrt. Folge deinem Bauchgefühl. Sage deinen Mitmenschen, dass du sie gern hast und sorge dich um sie. Verfolge deine Träume, als gäbe es kein Morgen. Löse dich von allen, die dich zurückhalten und wirf alles ab, was dir unnötigen Ballast beschert. Verabschiede dich vom Gestern und umarme das Morgen.

Nur du kannst es schaffen. Und wenn du es nicht tust, wird niemand es für dich tun.

Wenn der Wille nicht da ist, dann verdienen wir es auch nicht, glücklich und frei zu sein.

Möge dein Tao geebnet sein.

Dein Troubadour

 

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Ein Gedanke zu “Ansichten eines Troubadours, August 2018: „Der Schlaf des Gerechten“

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