„Das Leben ist ein Timing Problem“, verlautbarte Dan und zog an seiner Pfeife. Dabei trug er eben jenen Gesichtsausdruck, den er immer aufsetzte, wenn er meinte, etwas außerordentlich Weises gesagt zu haben.

Jeff und Alec, die mit ihm am Tisch saßen, nickten schweigsam. Dann tranken alle Drei einen Schluck Wassernixenwhisky und blickten starr auf ihre Gläser.

Vom Nebentisch erklang ein pompös orchestriertes „Happy Birthday“, irgendwo am anderen Ende der Bar gab es eine Prügelei. Dabei untermalte der angekettete Librettist das Geschehen mit stoischer Todesverachtung.

Jeff, Alec und Dan bestellten noch eine Runde Wassernixenwhisky, was ihnen zumindest ein halbherziges Lächeln entlocken konnte.

„Ich muss morgen den Tapetenwechsler bezahlen“, brummte Alec, wobei er seinen Daumen an Mittel- und Zeigefinger rieb.

„Das Leben ist ein Timing Problem“, wiederholte Dan bestimmt.

Jeff lachte leise, und ein Außenstehender hätte wohl vermutet, dass die Situation ihn belustigte.

„Wo bleiben die Unterstützungsfonds für schlecht bezahlte Lehrer der Erzdiözese?“, klagte Alec weiter. „Wo war der Exarch, als sie seinen Unterturm in Brand setzten?“

„Das macht alles keinen Sinn“, bestätigte Dan mitfühlend. „Ein Timing Problem.“

Die Tür der Spelunke öffnete sich und eine eingemummte Gestalt trat ein. Niemand bemerkte den Neuankömmling, als er langsam auf den Tisch unserer Helden zusteuerte, während Gläserklirren, Libretto und unrhythmisches Cembalospiel seine Schritte untermalten.

Auch Jeff, Alec und Dan nicht.

 

„Ein Glas Ziegenmilch bitte“, sagte der Fremde zur Zombie-Kellnerin, noch während er zwischen Jeff und Dan Platz nahm.

„Ähm, Sir“, begann Dan, doch der Eingemummte unterbrach ihn mit einer eleganten und gleichzeitig bestimmten Handbewegung, womit er sich als Anhänger des Hazoshul-Kultes entlarvte.

„Wie is‘ der Whisky?“, fragte er, ohne die Kapuze abzunehmen.

Die Drei schwiegen.

„Hab ich mir gedacht“, murmelte der Kultist und kramte in seiner Manteltasche herum.

Dan, Alec und Jeff wechselten unsichere Blicke.

„Dies“, sagte der Verhüllte, als er eine ramponierte Lederkarte auf den Tisch knallte, „ist ein Tonartenwechsel. Für drei Diamanten im Scheißhaufen.“

„Aber, Sir“, kam es von Alec, „hier liegt offensichtlich ein Irrtum vor.“

„Nein!“, fuhr ihn der Fremde an, wobei er einen knochigen, aber soliden Zeigefinger entblößte. „Dies ist eine Schatzkarte. Mein Meister gab mir einen einfachen Auftrag: Finde die drei Diamanten im Scheißhaufen. Gib ihnen diese Karte. Und dann“, er griff nach der Ziegenmilch, noch während die Zombie-Kellnerin den Becher auf den Tisch stellte, „und dann verschwinde wieder.“

Er prostete den Dreien zu, leerte seine Milch in einem Zug aus, schnippte mit dem Finger und löste sich augenblicklich in Luft auf.
Alec und Dan starrten verstört auf den Stuhl, wo soeben noch die eingemummte Gestalt gesessen war. Jeff jedoch griff skeptisch nach der Landkarte und inspizierte sie.

„Ja“, flüsterte er zu sich selbst. „Ja…“

„Was – war – das?“, rief Alec mit weitaufgerissenen Augen.

„Ober!“, schrie Jeff in einem plötzlichen Anflug von Erregung. „Zahlen bitte!“

„Jeffrey?“

„Los, los, los, los!“ Jeff’s Stimme überschlug sich. „Wir müssen jetzt los! Sofort! Keine Zeit mehr!“

Alle Blicke auf sich ziehend, stand Jeff auf und wankte zum Tresen. Dan und Alec folgten ihm.

„Was geschieht hier?“, fragten sie gleichzeitig.

„Ich werde es euch erklären, sobald wir draußen sind. Wir müssen jetzt los…“

Noch bevor Jeff ausgesprochen hatte, stellten die Drei fest, dass sie umzingelt wurden.

Und dass ein Dutzend Armbrüste auf sie gerichtet war.

(Fortsetzung folgt vielleicht)

 

 

(Jannis Raptis, „Ansichten eines Troubadours“ Blog 2016, http://www.jannisraptis.com)

Hinterlasse einen Kommentar